Bergkirchen

Auszug aus den Beiträgen zur Kirchen- und Schulgeschichte Volmerdingsens (Bergkirchen) von Heinrich Greiwe
herausgegeben vom Amt Rehme
 
 Die Gründung der Kirchengemeinde Bergkirchen fällt in die fränkische Zeit. Damals brachte Karl der Große (768 - 814) das Christentum in unsere sächsische Heimat. Von 772 bis über 800 hin dauerte das gewaltige Ringen zwischen Franken und Sachsen; dann war Karls Ziel erreicht, das Christentum zur herrschenden Religion im Sachsenland geworden. Alle Macht des Staates trat in den Dienst der Kirche, um diese gegen Angriffe sächsisch-heidnischer Kreise zu stützen. Eine kirchliche Organisation, die sich über das ganze Land ausbreitete, sollte die Lehre in die Herzen pflanzen helfen. Aber erst seit Wittekinds Taufe (785) machte sie langsam Fortschritte. Jetzt konnte man an die Gründung von Gotteshäusern und Kirchspielen denken. Die neuen Kirchspiele wurden zu Dekanien zusammengefaßt, die Dekanien zu Bistümern. 788 erfolgte die erste Weihe Willehards zum ersten sächsischen Bischof mit dem Sitz Bremen. Zu derselben Zeit sollen die Bistümer Verden und Minden gegründet worden sein.
Die günstige Lage Mindens vor dem Gebirge in fruchtbarer Niederung an der Kreuzung alter Land- und Wasserwege legte es dem Eroberer Sachsens, Karl dem Großen, nahe, diesen Ort zu einer Station der Mission, zum Sitze eines Bistums zu machen. 800 wurde der erste Mindener Bischof Ercanbert genannt. Die Grenze des Bistums folgte im Osten von Adensen der Leine flußabwärts bis zur Stadt Hannover, deren größter Teil dem Bistum Minden angehörte, dann der Ihme und Wietze, bog ein Stück vor deren Einmündung in die Aller nach Osten bis kurz vor Celle. Sie lief weiter in nördlicher, dann nordwestlicher Richtung über Soltau hinaus, das sie mit einschloß, ging dann in südwestlicher Richtung auf die Aller zu, die westlich von Rethem geschnitten wurde, schlug einen Haken nach Süden bis zum Füsser Mühlbau, ging wieder nordwärts an Wölpe vorbei bis oberhalb Hemsen, schnitt die Weser südlich von Schweringen und verlief dann ungefähr in westlicher Richtung auf dem Volkweg, einer alten Heerstraße, bis zur Hunte, ging in südlicher Richtung die Hunte aufwärts bis zum Einfluß des Twillbachs, bog ein Stück nach Osten aus, wandte sich wieder nach Westen auf den Dümmer See zu, schloß diesen ein, ging dann die Hunte 
aufwärts bis Wittlage-Barkhausen, dann in südlicher Richtung auf Polle an der Weser zu, kreuzte diese unterhalb Forst, ging bis Amelunxborn nach Osten, um dann in ziemlich nördlicher Richtung auf Springe am Deister und von dort östlich auf die Leine bei Adenau zu verlaufen.
Danach bildete das spätere "Fürstbistum MINDEN" (in der Hauptsache die beiden heutigen Kreise Minden und Lübbecke und ein Teil des heutigen Kreises Herford) nur einen Teil der alten Diözese Minden.
Unter den ersten Kirchen des neuen Bistums Minden finden wir die Gotteshäuser zu Rehme und Bergkirchen. Nach Rolevink soll die Bergkirche (Bergkerken) von Papst Leo III (795 - 816) geweiht worden sein, und zwar zu Ehren des H1. Nikolaus. Rolevink berichtet auch von einer klaren Quelle, die sich in der Mitte des Gotteshauses befunden, und von einer kleinen Glocke, die der Papst zurückgelassen haben soll. Aber schon Ledebur weist 1825 darauf hin, daß diese Nachricht nicht unbedingt Glauben verdiene, da es an gleichzeitigen Gewährsmännern fehle. Im übrigen bemerkt er: "Was die kleine Glocke betrifft, so ist eine solche nicht mehr vorhanden. Die Quelle entspringt auf dem Kirchhofe, und zwar am fuße der Höhe, auf welcher die Kirche steht. Sie soll, der Sage zufolge, woran diese Gegend sehr reich ist, eine zweite Hypocrene, dem Roß Karls des Großen ihre Entstehung verdanken."
Als Gründungsjahr der Bergkirche wird einmal 799 (zur Zeit des Bischofs Hercumbert "Ercanbert, Ercambert" genannt); Heinrich von Herford nimmt 809 an.
Vollends in das Gebiet der Fabel führt eine Nachricht, die Schlichthaber mitteilt. Sie soll einer alten Pergamenthandschrift entnommen sein und erzählt weitläufig, wie Karl der Große monte Wedegonis, quo modo Bergkirchen dicitur, eingenommen und die Hermensul (Irminsul) zerstört habe. Darauf habe Wittekind den von Karl eingenommenen Wedegenberg belagert, viele Wunder seien hierbei geschehen, Wittekind hierauf getauft und der Krieg beendet, Karl der Große habe dann den Papst dorthin berufen, dieser dem Hl. Nikolaus die neuerbaute Kirche geweiht und derselben die damals noch vorhandene oben erwähnte Glocke geschenkt. Ledebur, der diese Nachricht ebenfalls erwähnt, fügt hinzu: "Wie ungeschickt der Anfertiger dieser Nachrichten zu verfälschen verstanden hat, beweist, daß er den Gregor von Tours, der im 6. Jahrhundert lebte, seinen Gewährsmann nennt. Man irrt sehr, wenn man das kirchliche Gebäude oder auch nur einen Teil davon in die karolingische Zeit verlegen will. Offenbar liegt eine Verwechslung von Wedegenburg (Wittekindsberg an der Porta) und Bergkirchen vor Daß darüber hinaus Bergkirchen sogar fälschlicherweise zum Standort der Irminsul gemacht wird, eines jener sächsisch-heidnischen Heiligtümer, die Karl der Große 772 zerstörte, sei nebenbei vermerkt.
Auch die heimatliche Sage rankt um Quelle und Kirche auf dem Berge:
"Einst ritt Weking (Wittekind) die Heerstraße hin über die Berghöhe, worauf jetzt Bergkirchen liegt, und erwog in sich, welcher Glaube wohl der beste sei, der Götterdienst seiner Väter oder die neue siegreiche Lehre der Franken. Und er sprach bei sich: "Ist diese die rechte möchte ich dann ein Zeichen haben, wodurch ich gewiß würde!" Und siehe, in demselben Augenblick scharret das Roß, und aus dem felsigen Boden springt ein mächtiger Quell hervor. Da ist der König abgestiegen und hat von dem Wasser getrunken und hat gelobt, ein Christ zu werden. Über dem Quellbrunn wurde hernach von ihm eine Kirche erbaut, welche von dem Papst Leo selbst geweiht ist und noch heutigen Tages steht. - Andere erzählen, ein Mönch sei dem König an diesem Orte begegnet und habe ihn aufgefordert, seine Götter fahren zu lassen, und als nun Wehking geantwortet: "Schaff mir Wasser aus diesem Felsen, so will ich mich taufen lassen!", da sei sofort unter den Hufen des Rosses der herrliche Quell hervorgesprudelt". Andere Lesarten dieser Sagen lauten:
"An einem heißen Sommertage ritt Wittekind, der auch König Wehking genannt wird, in den Lübbecker Bergen über die Anhöhe, auf der jetzt das Dorf Bergkirchen liegt. Es war aber in der Zeit, als er mit Kaiser Karl im Kriege lag, und der König erwog bei sich, welcher Glaube wohl der wahre sei, der Glaube seiner Väter oder die neue Lehre der Franken. Und er sprach bei sich selbst: "Ist sie die rechte, so mochte ich ein Zeichen haben, wodurch ich gewiß würde!" Es war gerade sehr heiß, und da sich in den Bergen kein Wasser fand, dürstete ihn und sein Pferd. Und siehe, in demselben Augenblick fing das Tier gewaltig mit dem Hufe an zu scharren, und unter demselben hervor sprang ein Quell von hellem, klarem Wasser. Da trank der König von dem Wasser und gelobte, ein Christ zu werden."
Einsam ritt Widukind einst durch die Wälder des Wiehen. An der Stelle, wo Bergkirchen liegt, begegnete ihm ein Christenpriester. Als der den Herzog erkannte, sprach er zu ihm: "Sage ab Deinen Göttern und glaube an den Gott der Christen!" Widukind antwortete: "Mach', daß Wasser aus diesem Felsen springt, so will ich mich taufen lassen!" In diesem Augenblick bäumte sich das Pferd empor und schlug mit dem Hufe an den Felsen. Aus dem Gestein aber rauschte ein Wasserstrahl empor, der im Steigen und Fallen die Gestalt eines Hufeisens annahm". Da stieg der Held vom Rosse und betete und ließ sich taufen und baute nach der Hand eine Kirche an dem heiligen Orte, der hieß Bergkirchen. Und der Born quillt noch heute und heißt der Wittekindsborn". (Nach einer weiteren Lesart soll nicht Wittekinds, sondern Karls des Großen Roß die Quelle erschlossen haben!)
Eine Sage, die von Widukind nichts weiß, berichtet:
Es waren einmal zwei Brüder, der eine zog in die Fremde und kehrte erst nach vielen Jahren zurück. Dort, wo jetzt Bergkirchen liegt, traf er seinen Bruder. Dieser erkannte ihn sogleich! Jener aber meinte, es stehe ein Feind vor ihm, und hob die Waffe zum Kampf. Da sprach der andere: "Warum willst Du mit mir streiten? Sind wir doch Brüder!"
Der Heimkehrer jedoch schüttelte den Kopf und entgegnete: "So gewiß mein Roß kein Wasser aus diesem Felsen schlägt, so gewiß bist Du nicht mein Bruder! Kaum aber hatte er es gesprochen, so stieß sein Pferd mit dem Huf gegen den Stein, und darunter sprudelte ein klarer Quell hervor. Da reichten sich die Brüder die Hände und schlossen Frieden. Zum Andenken an diese Begebenheit ließen sie über der Quelle eine Kirche bauen, und das ist nun die Bergkirche.
Alle diese Sagen tragen christliches Gewand. Sofern nur von dem einsam reitenden Wittekind und Roßtrappe die Rede ist, wollen sie vor allem Wittekinds Bekehrung glaubhaft machen. Die Fassungen mit Mönch bzw. Priester legen stärkeres Gewicht auf die Entstehung der Quelle und den Bau des ersten Gotteshauses zu Bergkirchen. Die letzte Sage weiß weder von dem Sachsenherzog noch von einem Gegensatz Heidentum-Christentum. Die Handlung soll lediglich den Ursprung von Quelle und Kirche erklären.
Gemeinsam ist allen Fassungen die Erwähnung der "Roßtrappe". Man hat angenommen, daß darin (ebenso wie in dem hufeneisenformigen Wasserstrahl der einen Sage) eine Erinnerung an das alte Zeichen [ ] mitklingt, in dem Forscher die schriftliche Darstellung des kleinsten Sonnenlaufbogens im Jahre (also zur Zeit der Wintersonnenwende) vermuten. Da solche Roßtrappen an Kirchen aus vielen Teilen Deutschlands bekannt sind, wäre es wohl möglich, daß man es in diesen Fällen mit einem alten kultischen Zeichen zu tun hat, daß die betreffenden Orte also schon in germanisch-heidnischer Zeit Kultstätten waren. Freilich, eine hufeisenförmige Einmeißelung in Gestein, wie man sie wohl andernorts vorfindet und wohl gar einst in Kirchen einmauerte, fehlt in Bergkirchen. Hier halten nur Quelle und Sage die Erinnerung fest. Gleichwohl mag sich auf der günstig gelegenen Paßhöhe des Wiehengebirges schon in germanisch-heidnischer Zeit ein Heiligtum unserer Vorfahren befunden haben.
Das wieder konnte der christlichen Mission ein besonderer Anlaß gewesen sein, gerade an dieser Stelle nun auch das christliche Gotteshaus zu bauen. So blieben die ehemals heidnischen, nun christlich gewordenen Kirchenbesucher doch bei dem gewohnten Weg zum Heiligtum und bei dem gewohnten heiligen Platz. Den der neuen Lehre Widerstrebenden hingegen wart auf diese Weise die Gelegenheit genommen, an der alten Kultstätte weiterhin heidnisches Brauchtum zu pflegen. Darüber hinaus lag Bergkirchen verkehrsgünstig, bildete es doch den natürlichen Mittelpunkt des nördlich und südlich vom Gebirge entstehenden Kirchspiels. Dazu war es in unsicheren Zeiten leicht zu verteidigen.
Wie wir oben gesehen haben, werden als Stifter der Bergkirche außer den beiden namenlosen Brüdern noch Karl der Große und Wittekind (Widukind) genannt. Für Wittekind spricht eine Nachricht der Vita Mathildis, wonach der Sachsenherzog nach seiner Bekehrung viele Gotteshauser gegründet haben soll. Es könnte die Bergkirche wohl darunter gewesen sein. Natürlich ist dieser Hinweis durchaus kein schlüssiger Beweis. Hölscher übernimmt von Culemann die Angabe, daß die Bergkirche 799, zur Zeit des ersten mindischen Bischofs Hercumbert, durch Papst Leo III geweiht (nach Culemann bzw. Heinrich von Herford) "fundieret und konsekrieret" worden sei, als dieser Papst sich bei Karl dem Großen in Sachsen aufhielt. -
In seiner Arbeit "Papst Leo III im Paderborner Lande" stellt Kuhlmann fest, daß nach späteren Nachrichten, die sich bei Heinrich von Herford (14. Jahrhundert), Gobelin Person (16. Jahrhundert), Witte (16. Jahrhundert), Ferdinand von Fürstenberg, Schaten und Meibom (17. Jahrhundert) und anderen finden, Kirchen in Hameln, Bergkirchen im Kreise Minden, Rehme und angeblich von Leo eingeweiht sein sollen. Er fährt dann fort: Diese Orte werden in Urkunden des 9. Jahrhunderts öfter erwähnt. Auch die Erbauung der Kirchen wird bezeugt, aber über die Einweihung durch Leo wird von den diesen Ereignissen noch nahestehenden Personen nichts berichtet. - Nach den ältesten glaubwürdigen Nachrichten traf der Papst Kaiser Karl 799 in Paderborn, verweilte dort im Sommer bei Karl und kehrte dann in Begleitung der fränkischen Großen nach Rom zurück, während Karl in Paderborn blieb. Im Dezember 804 war Leo bei Karl im Rheinland und weihte dort Kirchen ein. Heinrich von Herford vermengt in seinem „chronicon“ beide Reisen und berichtet, Leo habe Karl im Jahre 809 im Rheinland besucht, sei mit ihm nach Sachsen gereist und habe dort die Kirchen in Bergkichen und auf der Eresburg eingeweiht.
Danach kann die Annahme, Leo III, habe die Bergkirche geweiht, nicht aufrecht erhalten werden.
Hinter der Behauptung, daß gar Karl der Große selbst, Stifter der Bergkirche (wie unzähliger anderer Kirchen) gewesen sei, erkennen wir die hohe Achtung die diesem bedeutenden Herrscher von den Nachfahren gezollt wurde. Das verdient um so mehr Erwähnung, als Karl seinen sächsischen Zeitgenossen nicht als angenehmer Herr erschien. Auf die Dauer haben sich eben auch die Sachsen des Eindrucks seiner überragenden Größe nicht entziehen können. Anders hätte man ihm kaum in schriftlicher und mündlicher Überlieferung mit Unrecht so manche Kirchengründung zugeschrieben. Daß Karl selbst dieses oder jenes alte Gotteshaus gegründet habe, - eine solche Behauptung, ob zutreffend oder nicht - mußte der betreffenden Kirche den Glanz besonderer Ehrwürdigkeit geben. Daneben blieb Karl allerdings durch die Jahrhunderte hindurch bis heute im Volksmund der "aiske Schlachter", - ein Beweis dafür, wie sehr der Sachse innerlich um den Mann gekämpft hat (und vielfach wohl auch heute noch kämpft), der ihm das Evangelium und die Unfreiheit brachte. „So rang die Seele des Volkes.“ sagt Rothert von unseren Vorfahren, „um die Person des Bringers der guten Botschaft: wie mußte sie dann erst ringen um die Botschaft selbst!“
Wer immer auch die erste Kirche auf dem Berge gebaut haben mag, - so viel ist sicher, daß das christliche Heiligtum Bergkirchens sehr alt ist. Und wenn Koch behauptet: „Höhenkirchen geboren zu den ältesten“, so führt er wohl mit Recht Bergkirchen im Kreise Minden als Beispiel an.
Unter Mindens ersten Bischof, Hercumbert, soll die Bergkirche entstanden sein. Nun hat Mooyer nachgewiesen, daß die Konsolidierung des Bistums etwa um 804 anzunehmen ist. So mag denn auch Bergkirchens Gründung in diesen Zeitabschnitt fallen.
Das erste Gotteshaus.
Die Gemeinde, der das erste Gotteshaus auf dem Berge dient, umfaßte die benachbarten Siedlungen diesseits und jenseits des Berges. Hölscher gibt den Umfang des Kirchspiels, das dem alten mindischen Diakonat Lübbecke angehörte, wie folgt an: Bergkirchen mit Haddenhausen, Ober- und Unterlübbe, Wulferdingsen, Rothenuffeln, Biemke, Luttern, Berensteck, Schürbusch, Ellerbusch, Liliensiek, Schwön, Elfte, Korfskamp, Hermsmeyer, Lohof, Weinte, Maschweg, Wallücke, Elfermühle, Griepshop, Bergmühle, Eiksen, Wiethop, Rothenuffelner Mühle, Wiethop-Heide, Siebenackern, Hilverdingsen, Stelzenkrug, Ellernstraße, Köhling, Kohlte, Köhlterholz, Rittergut Haddenhausen, Höfen. Dazu kam wohl auch Volmerdingsen, das in kirchlicher Beziehung anfangs fast ganz zu Bergkirchen gehörte, und nicht nur - wie heute - zu einem kleinen Teile.
Wie das erste Gotteshaus auf dem Berge aussah, wissen wir nicht, weil jede zuverlässige Nachricht darüber fehlt. Indes können wir uns ein ungefähres Bild machen, wenn wir der folgenden allgemeinen Darstellung Rothers nachgehen. Die ältesten Kirchen waren zunächst aus Holz errichtet. Daher liest man soviel von Kirchenbränden. Erst im 10. Jahrhundert setzt der Steinbau ein ). Die Fensteröffnungen mochten damals nur mit Tüchern verhängt sein, doch wird Glas auch schon unter Karl dem Großen erwähnt. Eine Taufkapelle stand nicht weit von der Kirche, zur Vollziehung der Taufe...
Auch eine Gerkammer fehlte nicht, in der die Priester die priesterlichen Gewänder anlegten. (Ger= Rock) Ähnlich beschaffen, wird einst das erste christliche Heiligtum von der Höhe Bergkirchens weit ins Land geschaut haben, den Sieg des Kreuzes verkündend. Und die Menschen stiegen aus den Tälern die steilen Wege hinan und sammelten sich um die frohe Botschaft des Gottessohnes, der ihnen im Laufe der Jahre immer mehr zum Heliand, zum Heiland, wurde.
Manchem Nachfahren freilich mag der Weg zum Berge recht beschwerlich gewesen sein, und dieser oder jener überlegte wohl, warum man die Kirche statt auf der Höhe nicht im Tal gebaut habe. Die Sage antwortete ihm in ihrer Weise: Als es ausgemacht war, daß die Kirche auf dem Berge gebaut werden sollte, fuhren die Bewohner der Umgebung mit Pferden und Wagen Steine und Holz die Höhe hinan. Die Wege aber waren sehr steil und schlecht, und Menschen und Tiere hatten ihre liebe Not. Da sprachen die Leute: „Laßt uns die Kirche lieber im Tale bauen, dann haben wir und unsere Kinder und Kindeskinder einen bequemen Kirchweg!“ Sie holten also Holz und Steine wieder fort und brachten sie ins Tal, wo heute der Ort Rothenuffeln liegt. Als sie am nächsten Tage nachsahen, lag alles wieder auf dem Berge, und es hatte doch kein Mensch seine Hand daran gerührt. Sie wunderten sich darob, spannten aber gleichwohl aufs Neue an und fuhren Steine und Holz abermals ins Tal. Da, über Nacht wiederholte sich das Wunder, und ebenso geschah es ein drittes Mal. Da erkannten die Menschen Gottes Willen, und sie bauten die Kirche auf dem Berge an dem Ort, wo sie noch heute steht.
Wann das hölzerne Gotteshaus auf dem Berge einem steinernen Platz gemacht hat, weiß man nicht. Wohl aber ist bekannt, daß eine Steinkirche schon vor 1346 bestand und in eben diesem Jahre, wie ein Stein an ihr mit dem bischöflichen Wappen besagt, vergrößert worden ist. Bischof Conrad zu Osnabrück erteilte zu ihren Gunsten einen Ablaß. Über den hier erwähnten Stein berichtet eingehender Schlichthaber im Jahre 1749: „Am äußeren Ende auswendig, oben der Kirchenmauer, nach der Morgenseite, welcher Anbau vor etwa 400 Jahren geschehen, findet man einen eingemauerten alten Stein. Oben an beiden Ecken sind Sonne und Mond gehauen, zwischen beiden liest man in Mönchsschrift die Jahreszahl MCCCXLVI, unten findet sich das mindische Stadtwappen, nämlich zwei Schlüssel, dem damaligen Bischof von Minden, Georg Grafen zum Schaumburg Wappen bedeckt, zur Seite gegenüber des Bischofs Wappen.“ L. v. Ledebur berichtigte Schlichthaber später dahin, daß es heißen müsse: „Des Bischofs Gerhard (nicht Georg), Grafen von Schaumburg Wappen.“ Außerdem bemerkt Ledebur noch über die Bergkirche: „Die Orgel ist vom Jahre 1679, der Kanzeldeckel mit dem Wappen von dem Busche und von Ledebur vom Jahre 1687, die Beichtkammer 1711 erbaut“.
Nach den eingangs erwähnten Mitteilungen Rolevinks soll der heilige Nikolaus ehemals Schutzpatron von Bergkirchen gewesen sein. Rothert rechnet die Patrocinien zu den Eigentümlichkeiten der alten Kirchen. „Jede Kirche hatte einen Namen: Der Pate, dem sie ihn verdankten, war einer aus der Schar der himmlischen Heiligen, dem sie zu Schutz und Schirm anvertraut war, und der deshalb ihr Patron genannt wurde. Wenn irgend möglich, suchte man, sich von ihm eine Reliquie, etwa einen Knochensplitter, zu verschaffen, der im Sepulcrum, einer Öffnung an der Rückseite des Altars, verwahrt wurde.“
Über eine Verehrung des H1. Nikolaus in Bergkirchen fehlen sonstige Quellen ganz. Im übrigen berichtet Kampschulte von diesem Heiligen, der Bischof von Myra in Kleinasien war und 327 n. Chr. starb. Sein reiches Gut hatte er dazu verwendet, die Armen zu unterstützen und die schwer versuchten vor Schande zu bewahren. Auf einer Reise nach Palastina rettete er durch sein Gebet das Schiff vorm Untergange und wurde seitdem von den Seefahrern in Wassernot als Patron angerufen. Seine Stadt Myra schützte er wunderbar zur Zeit einer großen Hungersnot. Alle diese Züge seiner Legende wandten ihm vor allen Dingen die Liebe und Verehrung der christlichen Städtebewohner zu, und er ist der eigentliche Bürgerpatron geworden. Aber auch andere Ortschaften, in denen bürgerliche Gewerke stark betrieben wurden, oder daß sie wegen ihrer Lage an Gewässern den Schutz dieses Heiligen besonders nötig zu haben glaubten, wählten ihn zum Patron. Weiter weist Kampschulte darauf hin, daß der Hl. Nikolaus auch als Schutzheiliger bei Feuersgefahr angerufen wurde, und stellt zusammenfassend fest: „Da Städte und überhaupt größere Orte sich erst allmählich heranbildeten, so sind die Kirchen mit spezifisch bürgerlichen Patrocinien (Also auch die Nikolauskirchen! d. O.) in der Regel nicht sehr alten Ursprungs.“
Wenn man berücksichtigt, daß sich die Bergkirche an einer für reisende Kaufleute sehr wichtigen Paßstraße erhob, ferner, daß der Ort in vergangener Zeit ein nicht unwichtiger Gewerbeplatz war, (auch ein Jahrmarkt, der ursprünglich den Charakter der alten Messen gehabt haben mag, wurde hier abgehalten, der Rest ist der heutige Wulferdingser Markt), so klingt die Nachricht von dem Bergkirchner Patronus St. Nikolaus nicht unglaubhaft. Wir dürfen also annehmen, daß der erwähnte Heilige in irgend einer Zeit in Bergkirchen besonders Verehrung erfahren hat. Ob der alte Bergkirchner Jahrmarkt ursprünglich zu einem Kirchweihfest (Kirmes) gehörte, das vielleicht zu Ehren des Hl. Nikolaus gefeiert wurde? Es müßte dann in ältester Zeit um den 6. Dezember (St. Nikolaustag) stattgefunden haben. Nachweisbar ist ein kirchlicher Ursprung nicht. Auch seine zeitliche Lage, soweit sie sich urkundlich zurückverfolgen läßt - bietet keinen Anhaltspunkt. 1803 ist er vielmehr als "Kram- und Viehmarkt vor Margarethen" am 5. Juli bezeugt. 1874 am 10. Juli, 1875 am 7. Juli. Vielleicht fand er zunächst bei der Kirche statt, später sicherlich auf der noch heute als Marktplatz bekannten Bergkirchner Gur, von wo aus er nach Wulferdingsen verlegt wurde (Marktplatz). Zu Beginn der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts stand er in besonderer Blüte. Vor allem der Viehmarkt brachte damals einen starken Umsatz bei guten Preisen. Die mannigfachen Nöte der sogenannten Gründerzeit warfen ihn dann wieder zurück.

 Anmerkung zu der Legendenbildung:

 Der neueste Forschungsstand findet sich in der Westfälischen Geschichte, Herausgegeben von Wilhelm Kohl, l. Auflage 1983 Schwann Düsseldorf, Band I, S. 303:
Auf einem fränkischen Reichstag, der zugleich eine sächsische Stammesversammlung war, wurde ein 'imperiales Adventus - Zeremoniell' (H. Hauck) inszeniert, das seine literarische Würdigung in dem Vers-Epos 'Karolus magnus et Leo papa' fand. Die 'missionsgeschichtliche Perspektive' des Treffens war bereits im Gratulationsbrief (aus der Feder Alkuins) 796 an den neuen Papst vorformuliert: Es sei Sache des Königs, 'die heilige Kirche Christi vor dem Einbruch der Heiden und der Verwüstung der Ungläubigen außen mit den Waffen zu verteidigen und innen mit der Erkenntnis des katholischen Glaubens zu festigen, 'der Papst solle mit zu Gott erhobenen Händen wie Moses das Waffenwerk unterstützen." In der neu errichteten und künftigen Paderborner Kathedralkirche, in die der König Marienhaarreliquien und der Würzburger Bischof Kiliansreliquien hatte transferieren lassen, weihte Leo III. einen Stephanusaltar; Karl schenkte der Paderborner Kirche die Zelle S. Mars-la-Briere (bei Le Mans). In spätmittelalterlicher Überlieferung ist davon die Rede, daß der Papst auch an anderen Orten Kirchen geweiht haben soll, so auf der Eresburg und der (Hohen-) Syburg, in Bergkirchen bei Minden, Hameln und anderswo; die Authentizität dieser Nachrichten darf in den allermeisten Fallen in Zweifel gezogen werden. Abgesehen von den Unruhen an der Unterelbe, war der sächsische Stammesverband um 800 befriedet und in das fränkische Imperium integriert. Der Beschluß auf dem Aachener Reichstag von 802, auch für die Sachsen ein geltendes Volksrecht zu kodifizieren, wurde bis zum Sommer 803 vollzogen; in den Zusatzartikeln von 803, die jedem Stammesrecht beigefügt werden sollten, wurde eine Volksbefragung festgesetzt, in der die allgemeine Zustimmung zur Lex einzuholen war. Auf einem quellenkritisch nicht ganz gesicherten Hoftag zu Salz (an der Fränkischen Saale) im August 803 stimmten die vornehmen Sachsen (nobiles) einem Friedensvertrag zu, in dem sie die alte Freiheit wiedererlangten, sich aber verpflichteten, in Zukunft, ob arm oder reich, Kirchenzehnten zu zahlen."

 

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